Liberale Werte ermöglichen erst das gute Leben in der Demokratie

Reihe: "Noch eine Chance für den Liberalismus?"
Nachricht17.06.2016Kamran Rostam
Rainer Hank und Jens Hacke
Dr. Rainer Hank und Prof. Jens Hacke in Bad Homburg

"Liberale Werte ermöglichen erst das gute Leben in der Demokratie"

Diesen Leitgedanken setzte Dr. Jens Hacke vom Hamburger Institut für Sozialforschung an das Ende seines aktuellen Vortrags im Rahmen der Liberalismusreihe der Karl-Hermann-Flach-Stiftung.
Der Einladung waren rund 80 interessierte Gäste gefolgt, welche der Stiftungsvorsitzende Dr. Herbert Hirschler zusammen mit dem Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt als Kooperationspartner herzlich in Bad Homburg begrüßen konnte.

Geschichte

Politikwissenschaftler Hacke bot an diesem Abend einen breiten und fundierten Blick auf die Ideengeschichte des Liberalismus in Deutschland. Dabei identifizierte er drei zeitliche Perioden als markante Orientierungspunkte: Die Situation während des ersten Weltkriegs, die Weimarer Republik als ein „Laboratorium“ des Liberalismus, sowie die gegenwärtige Verfassung der liberalen Idee.

Max Weber, einer der bekanntesten Soziologen der Neuzeit, nahm für ihn dabei eine besondere Stellung im Verständnis des modernen Liberalismus ein. An ihm zeigte Hacke auf, wie dessen politische Schriften eine ganze Generation von Philosophen und Denker elektrisierten. Unter dem Modernisierungsdruck des frühen 20. Jahrhunderts, habe dies im liberalen Spektrum zur engeren Verknüpfung von Freiheitsorientierung und demokratischen Prinzipien geführt. Für Weber sei die parlamentarische Demokratie schließlich alternativlos gewesen, so der Redner.

Weimarer Republik

Dieser aufgefrischte Liberalismus habe in der Weimarer Republik zunächst auch gute Erfolgsaussichten gehabt. So erhielt die linksliberale DDP bei der Wahl zur Nationalversammlung 1918 über 18 Prozent, wie Jens Hacke herausstellte. Dennoch sei es aber die Erosion der politisch-bürgerlichen Mitte gewesen, welche die junge Republik mit zu Fall brachte. Vor einer Verurteilung des Liberalismus warnte der Politikwissenschaftler jedoch gleichsam: Zwar sei dieser parteipolitisch und Ideell zunehmend schwächer aufgetreten, dessen intellektuelle Erneuerung sei jedoch nachhaltig gewesen. Gerade im folgenden Kampf mit dem Faschismus sei man beispielweise davon kuriert gewesen, den nationalen Machtstaat zum Maßstab erfolgreicher Politik zu erheben, so Hacke.

Vielfalt

Auch in anderen Bereichen hätten sich neue Entwicklungen der liberalen Idee gezeigt. So gab es in der Debatte um die politische Gestaltung der Wirtschaft neben klassischen Positionen (Ludwig von Mises) auch Ansätze wie den „Demokratischer Kapitalismus“ von Moritz Julius Bonn oder die Ordoliberalen um Walter Eucken und Wilhelm Röpke. Liberalismus sei nach wie vor vielstimmig und heterogen aufgetreten. Besonders für den sog. Cold War Liberalism der Nachkriegszeit seien diese Strömungen wichtig gewesen, fasste Prof. Hacke zusammen. Antitotalitarismus und eine daraus abgeleitete wehrhafte Demokratie stellen den common ground des modernen Liberalismus dar.

Gegenwart

Abschließend kam der Redner dann auf die gegenwärtige Situation zu sprechen. Auch nach 1989, als die berauschende Wirkung von liberaler Demokratie so langsam verpuffte, sei kein Ende des Liberalismus festzustellen. Dennoch rücken für Hacke neue Verwerfungen ins Blickfeld.Grundsätzlich sei zwar ein Trend zum lebensweltlichen Liberalismus festzustellen, einzige Ausnahme bildet hier die AfD, dennoch diene der Liberalismus nach wie vor in vielfältiger Hinsicht gleichzeitig als Feindbild. Mit dem Kampfbegriff des Neoliberalismus belegt, werde dieser als quasi entfesselter Finanzkapitalismus diffamiert.

„Gegen eine solche Vereinseitigung anzugehen, sollte im Interesse all derjenigen liegen, die sich politisch in liberaler Tradition verorten“, so Dr. Hacke gegen Ende seines umfassenden Vortrages.

Diskussion

In der anschließenden Diskussion, moderiert durch Dr. Rainer Hank von der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, wurden weitere Themen durch die zahlreichen Fragesteller aufgegriffen.  Der ideengeschichtlich eher schwierig nachzuvollziehende Weg der „AfD“ von einer anfangs noch wirtschaftsliberalen Ausrichtung hin zu nationalkonservativem und rechtspopulistischen Denken kam ebenso noch zu Sprache, wie der rasante Absturz und neuerlich Aufstieg der Freien Demokratischen Partei als zentrale Kraft des politischen Liberalismus in Deutschland.